< Previous2 „Must-haves“. Alle europäischen Höfe der Zeit wollten sich mit eigenen Kunstkam mern dem Vergleich mit den Mitgliedern der bedeutenden Dynastie stellen. Im Kern ging es vor 450 Jahren allerdings um das Glei- che wie heute: Die Betrachter sollten durch die Exponate nicht nur gebildet, sondern auch verblüfft werden, sollten verwundert zurückbleiben. Sie sollten von Schönheit und Exzentrik des Ausgestellten quasi hin- terrücks überrascht werden, um schließlich beeindruckt und begeistert den Ruhm des Hauses und des Sammlers zu verkünden. Ältestes Museum weltweit Nur eine einzige der Renaissance-Kunst- kammern hat die Zeit an ebendiesem Ort überdauert, an dem sie ursprünglich gegründet wurde: die Ambraser Kunst- und Wunderkammer. Sie macht das gleichna- mige Schloss über Innsbruck damit zum Ort, der seit beinahe 500 Jahren in einem eigenen Gebäudekomplex ein Museum be- herbergt und so den Titel „Ältestes Museum der Welt“ tragen darf. Dr. Veronika Sand- bichler ist Direktorin des Kunsthistorischen Museums Schloss Ambras Innsbruck und erklärt die Bedeutung dieser Sammlung für die Swarovski Kristallwelten: „Als André Heller die Swarovski Kristallwelten kreierte, ließ er sich von Ferdinands enzyklopädi- scher Sammlung inspirieren. Ambras war für ihn der Ausgangs- und Angelpunkt, um die Besucher in die von ihm entwickelten modernen Wunderkammern zu führen.“ Jubiläumsausstellung 2017 2017 begeht das Schloss Ambras mit den Swarovski Kristallwelten als Partner die Jubiläumsausstellung „Ferdinand II., 450 Jahre Tiroler Landesfürst“ und erinnert damit an 1567, als die Innsbrucker Bevölke- rung den Habsburger Erzherzog als ihren Landesfürsten empfing. Die Ausstellung will dabei nicht nur die europäische Dimension Ferdinands II. herausarbeiten. Sie versucht auch, den Habsburger aus dem Wahrneh- mungs-Schatten zu holen, den sowohl sein Urgroßvater Kaiser Maximilian I. als auch seine erste Gemahlin Philippine Welser seit Jahrhunderten auf Ferdinand II. werfen. Freigelegt von historischen Unschärfen soll dabei eine weltgewandte Herrscher-Per- sönlichkeit gezeigt werden, die von einem durchaus nicht provinziellen Innsbruck aus internationalen Hof hielt. Dabei nahm der Tiroler Landesfürst nicht zuletzt eine herausragende Rolle als höchst neugieri- ger Sammler ein und bewegte sich dabei im thematischen Spannungsfeld zwischen Aufbruch und Rückbesinnung, Aberglaube und aufblühender Wissenschaft. Neue Choreografie des Staunens Als Ausgangspunkt und moderner Interpre- tationsort der Renaissance-Wunderkam- „Die themati- sche Brücke ist das Staunen: Die Wunderkam- mer soll heute so lustvoll erlebt werden wie vor 450 Jahren!“ Dr. VEroniKa sanDbichlEr, Direktorin Schloss Ambras korallenstamm in naturform auf gips-sockel Dieses Objekt wurde im Nachlassinventar Ferdinand II. als „Möhrgemüs“ – also Meeresgemüse – bezeichnet. Die Ko- ralle passte perfekt in die Sammlung der Ambraser Kunst- und Wunderkammer, da sie damals noch unerforscht und damit auch ein wenig unheimlich war. Man wusste zwar, dass sie aus dem tiefen Meeresgrund kommt, nicht aber, ob sie ein Stein, eine Pflanze, ein Lebewesen oder vielleicht doch – wie in der antiken Mythologie behauptet – „das versteinerte Blut der Medusa“ ist. Schloss Ambras503 maskenvisier für verkleidungsturniere 2. Hälfte 16. Jahrhundert, Eisen, Leder, Rosshaare Dieses Maskenvisier stammt aus der Zeit, als Erzherzog Ferdin- and II. Vizekönig von Böhmen war. In Prag veranstaltete er viele Turniere zu Repräsentationszwecken. Maskenvisiere wurden dabei an den Helmen montiert, es gab sie in unterschiedlichen Ausführungen. Waren sie dunkel, dann sollten sie „Mohren“, also die Mauren darstellen. Waren sie hell, wie dieses Exponat, hatten sie die Gesichtsform der Reiter der ungarischen Elite- einheit der Husaren. Der Hintergrund war propagandistisch: Die Habsburger wollten spielerisch ihre Überlegenheit über die „Ungläubigen“ demonstrieren. mern finden dabei mit Schloss Ambras und den Swarovski Kristallwelten 2017 die per- fekten Partner für einen kulturell-musealen Austausch zusammen. Acht ausgewählte Exponate aus dem Bestand der Ambraser Wunderkammer Ferdinands II. werden im Rahmen des Jubiläumsjahrs #ferdin- and2017 als temporäre Leihgaben in einen der spektakulärsten Räume der Swarovski Kristallwelten transferiert: den Kristalldom. Die 1995 errichtete geodätische Kuppel die- ses Raums besteht aus 595 Dreiecks-Spie- geln. Sie will die Besucher verzaubern, indem sie das Gefühl vermitteln, im Inneren eines riesigen Kristalls zu stehen. Acht der Spiegel sind sogenannte „Spionspiegel“, die für eine einzigartige Tiefen- und Raum- wirkung sorgen: Sie geben nur dann den Blick auf die dahinterliegenden Schaukäs- ten samt darin präsentierter Kunstwerke frei, wenn sie speziell beleuchtet werden. Dr. Veronika Sandbichler traf die Auswahl der an die Swarovski Kristallwel- ten verliehenen Kunstobjekte und zeigt sich hoch erfreut über die Präsentations- möglichkeit hinter den Kristallwelten-Spi- onagespiegeln: „Das Licht trifft hier nicht dauerhaft, sondern nur in zeitlich genau abgestimmten Abständen auf die Ausstel- lungsstücke. Die Ambraser Objekte, wie das fast schon unheimliche Maskenvisier, schloss ambras mit sEinEr Kunst- unD WunDErKammEr: das älteste Museum der Welt 51Schloss Ambras4 der exotische Kokosnusspokal und die her- ausragende Perlmuttvase, erscheinen den Besuchern ganz unvermittelt als inszenierte Einzelobjekte. Somit überraschen sie nicht nur in ihrer kunstvollen Präsenz, sondern auch über ihr unvermutetes Erscheinen.“ Nahe am jahrhundertealten Konzept Die ausgeklügelte Lichtinszenierung in der modernen Swarovski Wunderkammer stellt einen weiteren Bezug zu ihrer Vorläuferin her: Im ursprünglichen Konzept der Am- braser Kunst- und Wunderkammer waren die gesammelten Objekte in insgesamt 20 großen, eigentlich verschlossenen Holzkäs- ten dichtgedrängt verwahrt. Sie wurden nur geöffnet, um Besuchern ausgewählte Objekte zu zeigen. Einzeln wurden sie dazu entnommen und auf einem Beistell- tischchen zur Schau gestellt. Veronika Sandbichler: „Etwas Ähnliches geschieht mit unseren Objekten in den Swarovski Kristallwelten. Durch die spezielle Art ihrer zeitlich und optisch punktuellen Präsentation werden sie ebenfalls aus ihrem jahrhundertealten musealen Kontext ihrer Sammlung ,herausgenommen‘. Sie erscheinen im Kristalldom zum Greifen nah, wodurch sie unvermittelt als Einzelobjekte zur Geltung kommen.“ Die Kunstkammer- stücke würden zudem an Atmosphäre gewinnen, wenn sie an einem ganz neuen Ort gezeigt werden würden. „Wenn dann ein Kunstwerk aus dem Dunklen heraustritt und sich in seiner Funktion nicht gleich von selbst erklärt, erzeugt das Spannung. Was ist das, was kann das darstellen?“ Solche Fragen stellen sich, so Veronika Sand- bichler, viel eher in untypischen, neuen Umgebungen. Aufregung im positiven Sinn sei die Folge und intensiviere zusätzlich die Auseinandersetzung mit dem Gesehenen. Veronika Sandbichler: „Bei der Auswahl der Objekte ging es uns in erster Linie weniger um den Konnex zu aktuellen Swarovski Produkten. Entscheidend war es, dass sie den besonderen Charakter der Kunst- und Wunderkammer Erzherzog Ferdinands II. acht „spionspiEgEl“ sorgEn im KristallDom für eine einzigartige Tiefen- und Raumwirkung bei der Präsentation von Kunstwerken. kanne um 1600, Holz, Perlmutt, Messingstifte Die handwerklich exquisite Kanne kam aus Gujarat in Indien über den Seeweg nach Europa. 52Schloss Ambras5 verdeutlichen und angemessen repräsen- tieren. Dabei haben wir uns für Kunstwerke entschieden, die gerade in den facettierten und spiegelnden Flächen des Kristalldoms besonders gut zur Geltung kommen. Die thematische Brücke ist das Staunen: Die Wunderkammer soll heute so lustvoll erlebt werden wie vor 450 Jahren!“ SONDERAUSSTELLUNG IM KRISTALLDOM DER SWAROVSKI KRISTALLWELTEN WATTENS 15. 05. – 08. 10. 2017 kristallwelten.com/kunst FERDINAND II. 450 JAHRE TIROLER LANDESFÜRST Jubiläumsaustellung im Schloss Ambras 15. 06. – 08. 10. 2017 schlossambras-innsbruck.at ferdinand2017.at A sense of wonder and awe was precisely what André Heller hoped to inspire in visitors to the fascinat- ing world he created at Swarovski Kristallwelten (Swarovski Crystal Worlds) in 1995. He installed what is known as the Chambers of Wonder, where prominent in- ternational figures from the world of art and design could interpret — in their own way — “crystal” in its many fac- ets. Ever since, the sparkle of the world-famous Wattens crystals has been the basis of the most unusual concepts in spatial and experiential design. Inspiring wonder and awe as a curatorial principle has a long pedigree. André Heller borrowed it from the Renaissance, a time when princely treasure rooms were transformed into “chambers of art” that aimed to be as comprehensive as possible. Open-minded rulers collected paintings, statues, scientific and musical instruments in ad- dition to items of artistic merit and fine craftsmanship, but particularly sought out natural specimens and rare exotic items from far-away lands. Oldest museum in the world Only one of these Renaissance chambers of art has con- tinued to exist in its original location: the Ambras chambers of art and curiosities, founded in 1567 by the Tyrolean ruler Ferdinand II. That means that the eponymous castle situated above Innsbruck, which has held a museum in a dedicated complex of buildings for nearly 500 years, can proudly assume the title of the “oldest museum in the world.” And it was this location that inspired André Heller. In 2017, Ambras Castle, in partnership with Swarovski Crystal Worlds, will produce a jubilee exhibition: “Ferdinand II., 450 Jahre Tiroler Landesfürst” (Ferdinand II: 450 Years of a Tyrolean Prince”). Rediscovering a sense of wonder and awe By exchanging their cultural and curatorial expertise, Ambras Castle and Swarovski Crystal Worlds are perfectly partnered in 2017 to provide a contemporary interpretation of the Renaissance chambers of wonder. Eight carefully selected exhibits from Ferdinand II’s chamber of wonder in Ambras Castle will be exhibited as temporary loans in one of the most spectacular spaces at Swarovski Crystal Worlds: the Crystal Dome. The room’s geodesic dome con- sists of 595 triangular mirrors. They are designed to give visitors the feeling of being inside a giant crystal. Eight of the mirrors are so-called “spy mirrors” that create unique effects of depth and space. The display cases showing artworks from the Ambras Castle chamber of wonder can only be seen when they are lit in a particular way. Thanks to this special presentation, visitors can expe- rience the Chamber of Wonder with the same sense of awe and excitement as viewers did 450 years ago! From the dark into the light english version kokosnuss-pokal 1. Hälfte 17. Jahrhundert (?), Kokosnuss; Fassung: Silber, vergoldet Die Kokosnuss hatte Ende des 16. Jahrhunderts schon einen hohen Wert an sich, da sie aus Afrika kam und von den neuzeitlichen Ent- deckungen der Welt kün- dete. Durch die Verbindung von Natur mit Kunst stieg der Wert ins Unermessliche: Die aufwändige goldene Fassung machte aus der Nuss ein hochkarätiges Kunstkammerstück. Schloss Ambras53Für die Swarovski Kristallwelten hat der Komponist und Pianist Thomas Larcher ein Festival entworfen, das Kammermusik ins Zentrum des Interesses rückt. Seit 14 Jahren leitet er „Musik im Riesen“, dessen internationale Ausstrahlung und hohe Qualität auch der engen Vernetzung Larchers mit der sehr lebendigen aktuellen Interpretenszene zu verdanken ist. Text – Esther Pirchner © REINHARD FICHTINGER Musik im Riesen 19. – 27. 05. 2017 24. 05., 20 Uhr: Minetti Quartett Werke von Joseph Haydn, Thomas Larcher und Franz Schubert 26. 05., 20 Uhr: Belcea Quartet Werke von Franz Schubert und Thomas Larcher Das ganze Programm finden Sie auf kristallwelten.com/musik 54InterviewInterview55 „Wir gewinnen ein Publikum, das wirklich an der Sache interessiert ist.“ Musik von Johann Sebastian Bach und nicht Bach selbst. Insofern sind sowohl die Interpreten als auch die Kom- ponisten nichts anderes als Laboranten, die versuchen, etwas herauszudestillieren – sie sind an etwas Größerem beteiligt. Ist diese Haltung auch eine Qualität von „Musik im Riesen“? Viele der Interpreten, die in Wattens gas- tieren, treten auch bei den altehrwürdigen Kammer- musikfestivals auf, und trotzdem hat das Festival in Wattens eine ganz andere Ausstrahlung als diese. Vielleicht hat es einfach auch damit zu tun, dass wir relativ niederschwellig veranstalten. Wir improvisieren mit den Räumen und betreiben auch keine Riesenpubli- city und brüllen nicht ständig herum, dass wir die Besten und die Größten und die Einzigartigsten sind. Dadurch gewinnen wir ein Publikum, das wirklich an der Sache interessiert ist. Es ist mir auch wichtig, dass man sich auf die Musik konzentriert, auch gefordert wird, wenn man zu den Konzerten kommt, aber zugleich durch die Musik belohnt wird. Aus vielen Faktoren entsteht ein besonderer Abend mit einer außergewöhnlichen Ausstrahlung. Dafür strengen wir uns alle an. Im Rahmen des Festivals haben Sie auch das Mas- terclass-Programm „Impuls“ initiiert, bei dem junge Musiker von internationalen Solisten unterrichtet werden und sogar bei „Musik im Riesen“ auftreten. Angebote wie dieses sind relativ selten. Das Festival ist ein Angebot für Wattens und die Umge- bung und für die Leute, die bei Swarovski arbeiten, von einer Qualität, die sonst eigentlich nur in einer Großstadt erreichbar ist. „Impuls“ soll auch ganz direkt an den Orten ansetzen, an denen man ist. Deswegen führen wir die Masterclasses in Zusammenarbeit mit der Musikschu- le Wattens und mit dem Tiroler Landeskonservatorium in Innsbruck durch. Das soll kein Ersatz für die kaum vorhandene Musikerziehung an den Gymnasien, an Volks- und Neuen Mittelschulen sein, sondern es geht konkret um eine Förderung für junge Musiker. Ich habe selbst gemerkt, wie nötig und wie gut es für mich als Kind war, mit berühmten Musikern zu sprechen, von ihnen Tipps zu bekommen. Wenn es dann dazu führt, dass – wie letztes Jahr – die Studenten der Schlagwerkklassen am Konser- vatorium gemeinsam mit dem Percussionisten Colin Cur- rie wirklich auch selbst in einem „Musik im Riesen“-Konzert auftreten, mit diesem hervorragenden musikalischen Resultat, dann ist das umso schöner. Vielen Dank für das Gespräch. kristallwelten magazin: Herr Larcher, an welcher Komposition arbeiten Sie derzeit? thomas larcher: An einer Oper unter anderem für die Bre- genzer Festspiele und das Aldeburgh Festival. Sie basiert auf dem Buch „Das Jagdgewehr“ von Yasushi Inoue, aus diesem hat Friederike Gösweiner ein Libretto destilliert. Als Komponist knüpfen Sie häufig an literarische, aber auch an andere Texte an. Welche Qualitäten machen einen Text für Sie vertonbar? Er muss es mir möglich machen, etwas Stimmiges dazu zu komponieren. Ob er von einer anonymen Person kommt oder von einem weltberühmten Autor wie Inoue oder Inge- borg Bachmann, spielt dabei keine Rolle. Es geht um einen Inhalt, von dem ich denke, dass ich ihn auf verschiedens- ten Ebenen verstehen und ihm nachfolgen kann. Der britische Kritiker Tim Ashley hat zu Ihrer zweiten Symphonie „Kenotaph“ geschrieben, dass sie in der symphonischen Tradition wurzle, aber immer auch an deren Grenzen poche. Sind das Bewusstsein für das Vorhandene und die Überwindung oder Ausweitung von Grenzen auch sonst Eckpfeiler Ihrer künstle- rischen Arbeit? Von sich selbst kann man natürlich nicht behaupten, ob man die Grenzen ausweitet, das ist erst in der Rückschau abzulesen. Selbstverständlich macht man aber, wenn man selbst etwas macht, es auf seine eigene Weise. Wenn man als Künstler oder Wissenschaftler nur ober- flächlich darauf aus ist, etwas Neues zu finden, ist das die schlechteste Voraussetzung. Ich denke, dass ein Suchen und eine inhaltliche Beschäftigung mit den Dingen viel weiter verzweigte und vielleicht auch neuere Lösungen hervorbringt. Wenn man sich auf Sinnvolles konzentriert, werden sich gewisse Dinge auch entwickeln, das passiert ganz automatisch. Viele internationale Musiker, die Ihre Werke auffüh- ren, sind auch Gäste von „Musik im Riesen“. Ist dieses Netzwerk eine Voraussetzung, so ein Festival über- haupt durchführen zu können? Ein wesentlicher Gedanke bei der Konzeption des Festivals war, dass ich auf dieses Netzwerk, das ich als Pianist und Komponist aufgebaut habe, zählen kann. Als Kammer- musiker habe ich mit allen möglichen Leuten, berühmten und weniger berühmten, gespielt. Daraus hat sich auch das Komponieren entwickelt, weil viele dieser Interpreten Stücke bei mir in Auftrag gegeben und aufgeführt haben. So konnte ich Musiker wie Christian Tetzlaff, das Belcea Quartet oder Viktoria Mullova nach Wattens bringen. Ich versuche aber, über dieses Netzwerk auch hinauszugehen. Vor allem junge Interpreten, wie letztes Jahr Aaron Pilsan und Kian Soltani, sollen bei „Musik im Riesen“ die Möglich- keit haben aufzutreten. Es soll sich für sie ähnlich entwi- ckeln können, wie es sich für mich entwickelt hat. Gibt es eine künstlerische Haltung, die alle diese Musiker miteinander verbindet? Mir ist es immer wichtig, dass die Musik im Vordergrund steht, nicht einmal die Komponisten als Person und auch nicht der Glamour der Starsolisten. Man liebt ja auch die Österreichs derzeit erfolgreichster Krimi- autor Bernhard Aichner hat gemeinsam mit Haymon-Verleger Markus Hatzer das „Krimifest Tirol“ ins Le- ben gerufen. Auf dem Programm des Fes- tivals, das im Herbst Premiere feiert, stehen Krimidinner, -Touren, Lesungen und vieles mehr. Autoren aus dem deutschsprachigen Raum und darüber hin- aus präsentieren dabei die große Vielfalt des Kriminalromans – vom düsteren Psychothriller bis hin zum herrlich-ko- mischen Regionalkri- mi. Eine Woche lang durchdringt der Krimi das ganze Land und sorgt auch in den Kris- tallwelten in Wattens für Spannung und Gänsehaut. Text – Eva Schwienbacher WWW.FOTOWERK.AT Krimifest56Krimifest57 Wie lassen sich Mord und Totschlag mit der funkelnden Welt von Swarovski verbinden? Wie viele Morde sind wegen Diamanten und fun- kelnder Kristalle geschehen? Hinter jeder glitzern- den Fassade schlummert letztlich ein finsterer Abgrund (lacht). Krimis sind beliebt wie nie zuvor. Woher kommt diese Faszination fürs Töten und Fällelösen? Man begegnet dem Bösen und ist dabei auf der sicheren Seite. Einen Krimi zu lesen, ist völlig un- gefährlich. Es wird gemordet, Blut fließt, doch am Ende schlägt man das Buch zu und alles ist gut. Und so kann man sich auch beim Krimifest dem Bösen hingeben, im Wissen, in den Kristallwelten gut aufgehoben zu sein. Vielen Dank für das Gespräch. kristallwelten magazin: Herr Aichner, wie ist dieses Veranstaltungsformat entstanden? bernhard aichner: Ich lese auf Krimifestivals im gesamten deutschsprachigen Raum. So ist die Idee aufgekommen, auch in Tirol ein Krimifest zu initiie- ren, wo es etwas Vergleichbares bisher noch nicht gegeben hat. Haymon-Verleger Markus Hatzer war sofort begeistert. Und mit den Swarovski Kristall- welten konnten wir einen großartigen Partner an Bord holen, der sich offen zeigte, der Kriminallitera- tur eine Bühne zu bieten. Was erwartet die Gäste beim Krimifest in den Kristallwelten? An einem Abend gibt es eine Krimi-Tour mit drei Autoren: Das Publikum zieht von Wunderkammer zu Wunderkammer und taucht in eine Welt aus Krimis, Kulinarik und Kristallen ein. Beim Krimidin- ner, das ich gemeinsam mit einem Freund, dem Autor Thomas Raab, gestalte, erhalten die Gäste ein mehrgängiges Menü sowie Einblick in das Leben und die Werke von Krimiautoren. Darüber hinaus finden Schreibworkshops für junge Menschen statt, um deren Träume vom Lesen und Schreiben zu beflügeln. Dafür bietet der Riese den perfekten Rahmen. Schließlich sind auch die Kristallwelten die Verwirklichung eines großen Traums, und ein Buch ist im Grunde nichts anderes als eine Wun- derkammer mit unendlichen Möglichkeiten. Totenrausch Bernhard Aichner btb, 480 Seiten MORD IM RIESENDIE AUTOREN Thomas Raab. Der Wiener Autor ist nicht nur dem lesenden Publikum ein Begriff, sondern auch Mu- sikliebhabern. Denn der ehemalige Mathematik-, Sport- und Musikleh- rer ist auch als Singer-Songwriter mit seiner Band unterwegs. Beim Krimifest Tirol wird er jedoch an der Seite von Bernhard Aichner durch das Krimidinner führen und dabei seine Vorlesekünste zum Besten geben. Bekannt ist der Autor Raab vor allem für seine Kriminalromane rund um den Res- taurator Willibald Adrian Metzger. Zwei davon wurden für die ARD mit Robert Palfrader in der Hauptrolle verfilmt. Aktuell wird der in zahlrei- che Sprachen übersetzte Roman „Still – Chronik eines Mörders“ fürs Kino adaptiert. Der Metzger Thomas Raab Droemer, 336 Seiten Tatjana Kruse. Die Erfinderin der „Krimödie“ aus Schwäbisch Hall begeistert die Leserschaft mit ihrem schwarzen Humor. Kruse, die von sich sagt, eine große Anhängerin von Hägar dem Schrecklichen zu sein und unter der Dusche zu jodeln, schreibt seit 1996 Krimi-Kurzgeschichten und seit dem Jahr 2000 Kriminalroma- ne. Besonders großer Beliebtheit erfreut sich ihre Serie rund um den schwäbischen Kommissar Siegfried Seifferheld. Die Autorin, deren Wer- ke auch in einige Fremdsprachen übersetzt wurden, erhielt diverse Auszeichnungen, unter anderem den Marlowe-Preis (1996) und den Nordfälle-Preis (2005). Glitzer, Glamour, Wasserleiche. Ein rabenschwarzer Pauline-Miller-Krimi Tatjana Kruse Haymon Verlag, 256 Seiten Schattenschnitt Sunil Mann, Grafit Verlag, 315 Seiten Sunil Mann. Der Schweizer Autor zählt im Moment zu den am meis- ten gefragten Krimiautoren im deutschsprachigen Raum. Daher darf der Autor auch beim Krimifest Tirol nicht fehlen. Mann wurde 1972 als Sohn indischer Einwanderer im Berner Oberland geboren. Wenn der ehemalige Germanistik- und Psychologiestudent nicht gerade schreibt, arbeitet er als Flugbeglei- ter oder bereist Länder wie Israel, Ägypten, Japan oder Indien. Für seine Kurzgeschichten wurde der Autor mehrfach prämiert, und für sein Romandebüt „Fangschuss“ erhielt er den Zürcher Krimipreis. © SIMONE HEHER RAAB © MICHELE CORLEONE © MATTIS KUMMER Krimifest58Programm Krimifest im Riesen SCHREIBWORKSHOPS Für Jugendliche zwischen 16 und 20 Jahren im Kristallatelier, Teilnahme kostenlos, max. 20 Teilnehmer So, 15. 10. 2017, 13 – 15 Uhr mit Tatjana Kruse Mo, 16. 10. 2017, 14 – 16 Uhr mit Bernhard Aichner KRIMI-TOUR Eine spannende Krimi-Reise durch das Reich des Riesen in- klusive Getränke und Fingerfood. 49,- € pro Person, max. 50 Teilnehmer. Di, 17. 10. 2017, 18:30 Uhr Lesungen von Sunil Mann, Melanie Raabe, Stefan Slupetzky KRIMIDINNER Ein Abend mit Kulinarium, Krimis und Musik von Florian Eisner im Daniels Kristallwelten. Café & Restaurant. 75,- € pro Person, max. 85 Teilnehmer Do, 19. 10. 2017, 18:30 Uhr mit Bernhard Aichner und Thomas Raab ANMELDUNG E-Mail: swarovski. kristallwelten@swarovski.com, Tel.: +43 5224 51080 Schon vorab gibt es die Gelegen- heit, in Krimi-Stimmung zu kommen: Bernhard Aichner liest aus „Totenrausch“, dem Finale seiner Totenfrau-Trilogie. Wo? In der Werkstätte Wattens, Weis straße 9 Wann? 30. 03. 2017, 19:30 Uhr Eintritt: Freiwillige Spende Musikalische Begleitung: Philipp Ossanna Stefan Slupetzky. Der Wiener Autor schrieb und illustrierte mehr als ein Dutzend Kinder- und Jugend- bücher. Seit einiger Zeit widmet er sich vorwiegend der Literatur für Erwachsene und verfasst Büh- nenstücke, Kurzgeschichten und Romane. Mit seinem ersten Krimi um den Antihelden Leopold Wal- lisch, „Der Fall des Lemming – Eine Wiener Mordgeschichte“, für den er 2005 den Glauser-Preis erhielt, ist Stefan Slupetzky der Durchbruch gelungen. Mit „Lemmings Himmel- fahrt – Lemmings zweiter Fall“ ge- wann er den Burgdorfer Krimipreis, für „Lemmings Zorn: Lemmings vierter Fall“ wurde ihm 2010 der Leo- Perutz-Preis verliehen. Die Wahrheit Melanie Raabe btb, 448 Seiten Melanie Raabe. Die 1981 in Jena geborene und in Köln lebende Schriftstellerin und Journalistin wollte als kleines Mädchen Stunt- frau werden, was zwei abgeschla- gene Frontzähne zur Folge hatte. Schließlich hat sie Medienwissen- schaft und Literatur studiert und sich für die etwas ungefährlichere Schreiberei entschieden. Mit ihrer Kurzgeschichte „Die Zahnfee“ gewann sie den ersten Platz des Deutschen-Kurzkrimi-Preises des Krimifestivals Tatort Eifel. Ihr Thril- ler „Die Falle“ wurde bisher in 21 Ländern verkauft, eine amerikani- sche Filmproduktionsfirma hat sich die Rechte dafür gesichert. „Die Wahrheit“ ist ihr zweiter Roman. Polivka hat einen Traum Stefan Slupetzky Kindler, 304 Seiten © CHRISTIAN FAUSTUS © JULIA MAETZL Krimifest59Next >